Schule und Bildung

Genial digital?

Susanne Heuer · 14.09.2022

Lockdowns und Schulschließungen bescherten Schüler-, Eltern- und Lehrerschaft in den letzten zwei Schuljahren mannigfaltige Erfahrungen mit digitalen Möglichkeiten bzgl. Unterrichtsgestaltung, Kommunikationswegen und Datentransfer im Kontext Schule.

Inzwischen herrscht zwar wieder Präsenzbeschulung, doch die Erlebnisse dauern an. Hybridbeschulung, Online-Sprechstunden, geführte Tutorials, Lernsax usw. sind nun Routine oder? Zumindest mit Lernsax haben sich Schüler-, Lehrer- und Elternschaft arrangiert, obwohl Familien mit mehreren Kindern mit den Einzelzugängen jonglieren. Schulinterne Mitteilungen, Schulleiterbriefe, Elternratsprotokolle werden in Lernsax hinterlegt und Lehrende nutzen es sporadisch zur Bereitstellung zusätzlichen Materials. Für dem Unterricht fernbleibende Schüler wäre das Einstellen kurzer Abrisse des versäumten Unterrichtsmaterials eine elegante Lösung. An einigen Schulen, vor allem freien Trägern, gibt es bereits Vorgaben, wann und wie Unterrichtsinhalte für die gesamte Schüler-, Eltern-, Lehrerschaft verfügbar gemacht werden sollen.

Insgesamt haben die Möglichkeiten der Einbindung digitaler Medien in den Schulalltag enorm zugenommen. Gelebt wird von der freien Nutzung eigener oder Leih-Tablets, über Lernquiz, Online-Wiederholungsabfragen, interaktive Aufgaben, digitale Klassenbücher, Stundenpläne und Notenstände, gelegentliche Lehrvideos, App-basierte open-documents und Mindmaps bis zur rudimentären pdf-Datei per Mail alles. Stets in Abhängigkeit der Affinität der Lehrenden oder expliziter Anweisungen der Schulleitung. Rufe nach einheitlichen Vorgaben durch das Land sind ebenso wie die Betonung der freien Entscheidungshoheit der Schulen diesbezüglich wahrnehmbar. Zudem steht nicht jede Lehrperson der Einbindung digitaler Medien positiv gegenüber. Es wird der Verlust haptischer Eindrücke und der Bedeutung des Lehrerstandes angemahnt. Doch je mehr Schüler selbsttätig Wissen erwerben, umso bedeutsamer wird die Begleitung, Lenkung und Reflektion über die Lehrerschaft. Bleibt die Sorge, die ohnehin umfangreiche Handy-/Tablet-Zeit nun auch noch in der Schule auszubauen.
Trotzdem wünschen sich Eltern mehr Medienbildung im Schulunterricht, am besten über ein eigenes Unterrichtsfach. Kinder und Jugendliche zeigen sich in der Regel jedweder Nutzung digitaler Medien aufgeschlossen, so sie nicht in der zeitraubenden Fahndung nach Hausaufgaben in den Tiefen von Lernsax enden. Trotz aller Experimentierfreude und Neugier betonen sie dennoch, den persönlichen Kontakt und die Interaktion mit ihren Lehrern und Lehrerinnen nicht missen zu wollen.

Dank Corona rückten digitale Medien im Schulunterricht ins Interesse von Schüler-, Eltern-, Lehrerschaft und Öffentlichkeit und es entstand der Anschein, es handele sich hierbei um eine brandneue Entwicklung auf dem Gebiet der Didaktik. Tatsächlich verabschiedete die Kultusministerkonferenz (KMK) bereits 2012 eine Erklärung zur Medienbildung in der Schule. 2016 erschien der Beschluss „Kompetenzen in der digitalen Welt“ der KMK, welche von Suchstrategien über Datensicherheit bis zu digitalen Lernmöglichkeiten Schülerkompetenzen aufzeigt und durch das Sächsische Staatsministerium für Kultus (SMK) 2017 in eine eigene Konzeption gefasst wurde. Sie liest sich wie der sehr umfangreiche Lehrplan eines bisher nichtexistierenden Unterrichtsfachs Medienbildung über mehrere Schuljahre und führt alle Fähigkeiten und Fertigkeiten auf, die unsere Lehrer zur Bewältigung der Corona- Herausforderungen hätten gebrauchen können.
Inzwischen ist dieses immerhin Teil des Lehramtsstudiums in Sachsen. Im jüngsten Bildungsmonitor zeigten Sachsens Schulen in puncto Digitialität deutliche Schwächen. Deswegen möchte Minister Piwarz, dass digitale Medien bis 2024 an jeder Schule sinnvoll eingesetzt werden. Doch längst sind nicht alle bestellten interaktiven Tafeln, Computer, Laptops, Tablets geliefert bzw. angeschlossen. Zudem ist neben dem geplanten Ausbau der Netzanbindung der Schulen die Verbesserung des WLANs innerhalb der Gebäude essentiell und oftmals nur in Verbindung mit baulichen Eingriffen zu realisieren. Dies obliegt den kommunalen Zuständigkeiten und befindet sich in Bearbeitung, wie der Kreiselternrat Dresden erläutert. Er verfolgt als Gremium der Eltern engagiert die Maßnahmen im Raum Dresden und hebt noch einmal hervor, wie bedeutsam auch die Betreuung des Hardwarepools mitsamt Software ist.

Über die Zusatzvereinbarung Administration zum Digitalpakt Schule konnten bis Juli 2021 ebensolche IT-Administratoren von den kommunalen Trägern beantragt werden. Um die nötige Kompetenz der Lehrerschaft zu gewährleisten, wurden und werden vielfältige Weiterbildungen vom Land angeboten. Das Landesamt für Schule und Bildung konzipierte sogar den informativen, kurz-knackigen GrundschulFächer-digital zum Download. Auch für Lehrende weiterführender Schulen, die einen ersten Überblick suchen, lohnt sich ein Klick – oder für interessierte Eltern. Bundesweit unterstützt das BMBF die „Initiative digitale Bildung“ sowie das „Netzwerk digital“, welche zahlreiche Veranstaltungen und Foren zum Austausch, aber auch Handreichungen anbieten sowie das „Projekt Schultransform“, das Schulen bei ihrer digitalen Transformation beraten und begleiten soll. Zusätzlich sind sämtliche Schulbuchverlage mit eigens entwickelten Konzepten, Plattformen und Kursen sowie zahlreiche private Organisationen am Werk und bieten Informationen und Weiterbildung. Diese Vielfalt ist so umfangreich wie unübersichtlich. In Anbetracht des chronischen Zeitmangels unserer Lehrerschaft, zur Überwindung von Hemmschwellen sowie zur Motivation wäre womöglich eine wöchentliche Mail mit kurzem fünfminütigem Einführungsvideo in die verschiedenen vom Land gestellten Plattformen oder Tipps mit erprobten Unterrichtsgestaltungen sinnvoller.
Wie Lehrkräfte zielgerichtet Medienkompetenz entwickeln können, erforscht das Projekt „Unterrichten mit digitalen Medien in Sachsen – UndiMeS“, das an der TU-Dresden und der Uni Leipzig angesiedelt ist. Es hat die Konzeption einer (natürlich) online, selbstgesteuerten, kooperativen Lehrerfortbildung für den erfolgreichen Einsatz digitaler Medien im Unterricht zum Ziel. Denn als Rechtfertigung hierfür wird neben der Ausbildung adäquater Medienkompetenz stets ein Mehrwert für den Lernprozess der Schülerschaft gefordert. Zu diesem auch als „technology-enhanced learning“ bezeichneten pädagogischen Spezialgebiet wird seit Jahrzehnten geforscht. Es bescheinigt der Einbindung digitaler Unterrichtsmedien zumindest zusammenfassend, besonders aber in den naturwissenschaftlichen Fächern, einen positiven Mehrwert, der allerdings von zahlreichen Faktoren abhängt ist. Nichts desto trotz durchwebt die Digitalität bereits jetzt unsere Wirklichkeit. Und Schulen sind ein eminenter Teil der Wirklichkeit unserer Kinder. Mehr Argument braucht es da eigentlich nicht, beides zeitnah miteinander zu verbinden.

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