Kaleidoskop

Schwanger, oder was?!

Nora Stankewitz (ns) · 02.05.2018

Foto und Layout: Anja Nier

Foto und Layout: Anja Nier

Nein, unsere Autorin hat keine Kinder. Noch nicht. Gerade deshalb macht sie sich so viele Gedanken über das Leben mit Kind. Und bis es soweit ist, schaut sie für uns aus der anderen Perspektive. Denn von da sieht alles manchmal so anders aus.

An einem wunderbar kalten Februartag haben mein Mann und ich geheiratet. Das ist jetzt fast zwei Monate her. Da wurde ich kürzlich gefragt, warum wir vor dem Kinderkriegen geheiratet haben. Das sei total ungewöhnlich. Meist hätten die Paare schon mindestens ein Kind, bevor sie heiraten. Sowohl die Frage als auch die Aussage dazu haben mich überrascht.

Also habe ich Google befragt. Und tatsächlich: Hatte ich ja erst kürzlich darüber geschrieben, dass mein Mann und ich
ein totales Außenseiterpaar sind, weil wir eine Ost-West-Mischehe eingehen – die machen nämlich gerade einmal vier
Prozent in Deutschland aus – sind wir auch beim Thema Heiraten, Kinder, Pipapo wieder einmal ziemlich allein auf weiter Flur. Oder sagen wir Ostflur. Denn in Baden-Württemberg, wo ich geboren bin, wären wir damit der absolute Standard und würden uns in der Gesellschaft von wohligen 75 Prozent wissen.

In Sachsen und fast im ganzen Osten der Republik werden rund sechzig Prozent der Kinder in nicht-ehelichen Haushalten geboren. Das ist schon ein krasser Unterschied. Wundern braucht einen das alles aber doch wieder nicht.
Historisch gewachsen, blablabla. Darüber mag ich gar nicht weiter reden. Viel interessanter ist die Tatsache, dass wir – und damit meine ich vor allem Frauen ab einem Alter von sagen wir 26,897 Jahren – solche Fragen gestellt bekommen.

Ich wurde schon sehr, sehr, sehr, wirklich sehr oft gefragt, was denn nun mit Kindern sei, wann man den mal damit rechnen könne, und sowieso seien mein damals Noch-Freund und ich doch schon so lange ein Paar. Für mich ist das ungefähr so, als würde ich gefragt werden, wie die letzte Stuhlprobe ausfiel oder wie es um meine Schambehaarung bestellt ist. Ich hoffe, mit diesem schönen sprachlichen Mittel ist deutlich geworden, dass ich die Frage nach Kindern extrem intim empfinde. Bin ich verklemmt, oder sind die anderen einfach ein bisschen drüber?

Wahrscheinlich bin ich damit hier in Sachsen auch wieder nur die Ausnahme. Dazu konnte mir Google keine  befriedigende Antwort geben. Aber jetzt mal ganz ehrlich, so unter uns: Wie es jetzt aussieht mit Kindern, was meine Wünsche sind, was unsere als Paar, das bespreche ich doch mit meiner besten Freundin oder meiner Mutter oder mit dem Seelsorger meinetwegen, aber eben nicht mal so kurz am Telefon oder bei der Mittagspause. Und noch etwas: Überlegen Sie sich bitte, bevor Sie das nächste Mal eine Frau danach fragen, denn vielleicht gibt es da etwas, was sie bei jeder Nachfrage schmerzlich daran erinnert wird, dass es einfach noch nicht geklappt hat oder es vielleicht auch
nie klappen wird? Ich glaube, ein bisschen Sensibilität beim Thema Kinderkriegen schadet uns allen nicht.

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