Kaleidoskop

Früherkennung kann Leben retten!

Sophie Herrmann · 08.03.2018

Dass die kleine Leonie einen Herzfehler hatte, wurde leider zu spät erkannt. Sie verstarb Anfang 2014 mit nur vier Monaten. Frühzeitig entdeckt und behandelt, hätte Leonie mit ihrem reparablen Herzfehler ein normales Leben führen können. Sie ist kein Einzelfall, Statistiken zufolge wird knapp ein Prozent aller Kinder mit einem Herzfehler geboren. Missbildungen – insbesondere Herzfehler – sind die zweithäufigste Todesursache im ersten Lebensjahr. Leonies Mama Kathi kämpft nun seit vier Jahren mit aller Kraft darum, dass Herzscreenings, bestehend aus Herzecho und EKG (Elektrokardiogramm) zur Standarduntersuchung für Neugeborene werden.

 

Leonie starb drei Wochen, nachdem sie wegen eines starken Hustens vom Notkinderarzt untersucht worden war. Er war Kinderkardiologe und erkannte, was keiner der Ärzte bei den Vorsorgeuntersuchungen und auch keine Hebamme vorher bemerkt hatte: Leonie hatte einen angeborenen Herzfehler. Sie wurde daraufhin sofort ins Herzzentrum verlegt. Dort hörte ihr kleines Herz nach zwölf Tagen an der Herz-Lungen-Maschine und zwei Operationen auf zu schlagen.

 

Früherkennung hätte Leonies Leben gerettet

 

Wenn die Fehlbildung des Herzens im ersten Monat festgestellt und operiert worden wäre, hätte Leonie gerettet werden können. Ihre Mutter Kathi D. hat die ergreifende Geschichte auf Facebook gepostet und damit mittlerweile fast zwei Millionen Menschen erreicht. „Uns geht es vorrangig darum, Eltern aufzuklären, damit sie so einen Herzultraschall nach der Geburt überhaupt durchführen lassen. Denn die meisten wissen nicht, wie oft so etwas passiert. Herzfehler sind die häufigste Todesursache von Babys im ersten Lebensjahr nach den Tot- und Fehlgeburten“, erklärt Kathi. „Den plötzlichen Kindstod kennt jeder, an diesem sterben allerdings nur circa 1/3 bis ¼ so viele Babys, wie an Herzfehlern. Und einige dieser könnte man mit einem Herzscreening ebenfalls retten.“ Sie möchte außerdem Kinderkardiologen und Kliniken zusammenführen, um solch ein Screening bereits bei der Geburtsbesprechung anbieten zu können.

 

Diese nachvollziehbare Forderung lässt sich aber nicht ohne weiteres verallgemeinern. Der Kinderkardiologe Dr. Elmo Feil führt seit neun Jahren Herzscreeninguntersuchungen bei allen Neugeborenen des Marienhospitals in Darmstadt durch. Von 8400 untersuchten Säuglingen hatten 2016 laut Kidsgo über 400 einen angeborenen Herzfehler, davon waren 120 bedeutsam und zwölf kritisch. Dieses Projekt ist deutschlandweit einzigartig – und es fruchtet offenbar. Allerdings: „Was als Pilotprojekt geplant war und inzwischen eine feste Einrichtung hier ist, lässt sich nicht ganz einfach auf andere Kliniken übertragen“. Zudem seien Herzfehler nicht die häufigste Todesursache im ersten Lebensjahr, sondern Früh- und Mangelgeburtlichkeit. Der zweithäufigste Grund allerdings sind Fehlbildungen, bei denen die angeborenen Herzfehler die größte Rolle spielen.

 

Warum aber werden diese Fehlbildungen nicht vom Kinderarzt entdeckt?

 

Kidsgo schreibt:

„Normalerweise wird ja nur eine klinische Untersuchung im Rahmen der U2 durchgeführt. Hierbei werden 25 bis 50 Prozent der Herzfehler übersehen, da viele Herzfehler kein Herzgeräusch erzeugen. Die Beschwerden wie schlechtes Trinkverhalten, blaues Munddreieck, Schwitzen sind unspezifisch und bei Auffälligkeit ist es schon relativ spät“, sagt Dr. Feil. Die Herzultraschalluntersuchung sei die sicherste Untersuchung, einen Herzfehler zu erkennen oder auszuschließen. Je nach Erfahrung des Untersuchers kann es jedoch in seltenen Fällen auch Fehldiagnosen geben.

 

Diagnose schon in der Schwangerschaft?

 

Laut AOK Hessen-Sprecher Stephan Gill auf Kidsgo.de können Kundinnen über die gesetzlichen Ultraschalluntersuchungen hinaus diagnostische Möglichkeiten nutzen, die deutlich über den gesetzlichen Leistungskatalog hinausgehen. Besonders relevant für das Thema Herzgesundheit seien der Farbdoppler-Ultraschall und der 3-D-Ultraschall. „Beide Untersuchungsmethoden können erste Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten der kindlichen Herztätigkeit geben – schon im Mutterleib. Zusammen mit den genannten Untersuchungen im Rahmen der Mutterschaftsrichtlinie und den beiden initialen U-Untersuchungen existiert damit ein breites Spektrum diagnostischer Möglichkeiten. Werden dabei Auffälligkeiten entdeckt, sind die nachfolgenden Untersuchungen ohnehin über die elektronische Gesundheitskarte abrechnungsfähig.“

 

Die ideale Vorsorgeuntersuchung

 

Seit Januar 2017 ist das Puloxymetrie-Screening gesetzlich vorgeschriebener Bestandteil der nachgeburtlichen Vorsorgeuntersuchung. Schwere Herzfehler können so rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Bei dieser Routineuntersuchung wird mit einer kleinen Manschette am Zeh des Neugeborenen der Sauerstoffgehalt im Blut gemessen und ist schmerzfrei für den Säugling.

Dies ist zwar ein enormer und bedeutender Fortschritt, aber doch nur ein kleiner Anfang. Ein Pulsoximeterscreening kann die diagnostische Lücke nur vermindern, nicht aber schließen. Laut Kathi D. wäre der Idealfall einer Standarduntersuchung ein komplettes Herzscreening mit Pulsoximeter, messen der Blutdruckdifferenz zwischen Händen/Füßen, EKG und einem Herzultraschall von einem Kinderkardiologen, wie er mittlerweile bereits an einigen Kliniken sehr erfolgreich durchgeführt wird. Einige Krankenkassen übernehmen diese Kosten teilweise, hier sollte man bei der jeweiligen Kasse die Leistungen erfragen.

Leonies Mama hat einen Flyer gestaltet, der die wichtigsten Infos zusammenfast:

Kategorien: Kaleidoskop , Ratgeber

© 2024 Kind + Kegel WORTGEWAND GmbH