Kaleidoskop

Christian Piwarz - Im Interview mit dem neuen sächsischen Kultusminister

Nora Stankewitz (ns) · 14.05.2018

Christian Piwarz im Interview; Foto: Ronald Bonss

Christian Piwarz im Interview; Foto: Ronald Bonss

Seit Dezember letzten Jahres hat Sachsen einen neuen Kultusminister. Wir haben mit ihm gesprochen und wollten wissen: Was ist seit seinen ersten 100 Tagen im Amt passiert? Auf welche Entscheidung ist er bisher besonders stolz? Und wie will er mehr Lehrer nach Sachsen holen?

Schon mit 17 Jahren sind Sie politisch für die Union aktiv geworden. Nun sind sie Minister für Kultus in Sachsen. Was hat Sie damals bewogen in die Politik zu gehen und vor allem bis heute zu bleiben?

In der Zeit der friedlichen Revolution bin ich zu einem politischen Menschen geworden. Es war eine spannende Zeit, mit vielen Diskussionen darüber, welcher Weg der richtige ist. Viele Entscheidungen waren zu treffen. Ich habe mich gefragt, ob ich daran mitwirken will oder ich damit zufrieden bin, wenn andere entscheiden. Das Ergebnis kennen Sie.

Welche Aufgaben und Herausforderungen sind für Sie als Kultusminister da noch neu?

Ich glaube, dass ich in meiner jetzigen Funktion von den Erfahrungen, die ich seit vielen Jahren in der Politik gesammelt habe, profitiere. Aber natürlich ist die Situation, in der wir uns politisch befinden, bei den Themen Bildung, Schule und Kita eine ganz besondere. Eines meiner  wichtigsten Ziele ist es, wieder mehr grundständig ausgebildete Lehrer für Sachsen zu gewinnen.  Das ist die Grundlage dafür, dass unser Bildungssystem weiter so erfolgreich ist.
Ich gehe diese Aufgaben mit großem Engagement an. Ich will etwas bewegen. Ich finde deshalb den Begriff „Aufbruchstimmung“ für meine Amtszeit passend. Mit einem solchen Gefühl bin ich auch an mein Amt als Kultusminister herangegangen.

Sie sind nun schon fast fünf Monate im Amt. Gibt es bisher eine Entscheidung, auf die sie als Minister für Kultus besonders stolz sind?

Ich bin froh, dass wir im März das Handlungsprogramm „Nachhaltige Sicherung der Bildungsqualität im Freistaat Sachsen“ beschlossen haben. Es war höchste Zeit hier umzusteuern. Sachsen lief Gefahr seine hohe Qualität in der Bildung aufs Spiel zu setzen. Es geht vor allem darum, den Lehrerberuf für junge Leute attraktiv zu machen. Deshalb verbeamten wir ab 1. Januar 2019 grundständig ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer bis 42 Jahre und zwar für einen Zeitraum von 5 Jahren für den Einstieg in das Beamtenverhältnis. Ebenso werden Referendare und Lehramtsanwärter zum gleichen Zeitpunkt im Beamtenverhältnis auf Widerruf eingestellt.
Für die Lehrkräfte, die nicht mehr verbeamtet werden können, beinhaltet das Handlungsprogramm ebenso zahlreiche  Maßnahmen. Diese haben unser erfolgreiches Bildungssystem  aufgebaut  und  die  Last  der  vergangenen  Jahre  getragen.

Indem   wir   Beförderungsämter   schaffen   und   ein leistungsorientiertes   Prämiensystem   einführen,   zeigen   wir    gerade   auch gegenüber  dieser  Generation  von  Lehrkräften  unseren  Respekt.  Den Grundstein für den weiteren schulischen Erfolg legen die Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer. Grundständig Ausgebildete erhalten deshalb ab 1. Januar 2019 eine Besoldung    nach    der  Besoldungsgruppe    A 13 beziehungsweise  werden von der Entgeltgruppe E 11 in die E 13 höhergruppiert.

Dazu  zählen  auch  die  gut  4.000  Lehrerinnen  und  Lehrer  unterer  Klassen  und  die anderen mit DDR Abschluss. Sie haben unterschiedslos seit 27 Jahren die gleiche Arbeit geleistet und damit zum sächsischen Bildungserfolg beigetragen.

Und was werden Sie als nächstes in Angriff nehmen?

Ein weiteres großes Thema ist die Verbesserung der Qualität der pädagogischen Arbeit in den sächsischen Kindertageseinrichtungen. Dazu läuft derzeit eine Umfrage aller Eltern mit Kita-Kindern, Erziehern und Kita-Leitungen. Mit der Umfrage können sie ihre konkreten Wünsche und Anregungen für die Kitas äußern.  Bei den Maßnahmenvorschlägen stehen dabei unter anderem ein verbesserter Personalschlüssel, die Anerkennung der Vor- und Nachbereitungszeit oder auch die Förderung von Sprach-Kitas zur Auswahl. Ich bin sehr gespannt, wofür sich die Mehrheit der Eltern und Erzieher entscheidet. Den gewählten Maßnahmenvorschlag wollen wir in den neuen Doppelhaushalt 2019/20 einbringen.

An den Schulen steht uns inhaltlich ein Gestaltungsprozess bevor. Um die Schülerinnen und Schüler fit für die Zukunft zu machen müssen  sie  in  einer  zunehmend  medial  geprägten Welt auch Medienkompetenz als weitere Kulturtechnik erwerben.  Seit Herbst haben wir die neue Konzeption zur „Medienbildung und Digitalisierung in der Schule“. Damit steht der Plan, mit dem wir die digitale Bildung und Medienbildung in Sachsens Schulen vorantreiben wollen. Die konkreten Maßnahmen dazu werden jetzt erarbeitet.
Ebenso wollen wir die politische Bildung stärken.  Politische    und    demokratische    Bildung  sind    gesamtgesellschaftliche Aufgaben.  Schule  als  öffentliche  Einrichtung  leistet  dabei  einen  wichtigen  Beitrag.

Deshalb werden wir das Handlungskonzept „W wie Werte“ umsetzen. Bis Sommer 2018 wird das Kultusministerium für alle 31 Handlungsempfehlungen Umsetzungspläne erarbeiten. Dazu gehört auch, dass die Fächer Gemeinschaftskunde an Oberschulen  und  Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft an  Gymnasien ab dem  Schuljahr  2019/2020  bereits ab  Klassenstufe  7 mit  einer  Wochenstunde unterrichtet werden.

Das im März beschlossene Lehrerpaket soll nach drei Jahren auf Wirksamkeit überprüft werden. Also ob tatsächlich mehr junge Menschen nachrücken, um dem Lehrermangel Herr zu werden. Was, wenn nicht? Gibt es schon geplante Maßnahmen, die jetzt noch nicht angewandt werden?

Mit dem 1,7 Milliarden Euro schweren Handlungsprogramm  setzen wir ein deutliches Zeichen.  Mit der Verbeamtung der Lehrkräfte ist Sachsen jetzt wettbewerbsfähig mit den anderen Bundesländern.
Bereits jetzt haben im Rahmen des Lehreraustauschverfahrens der Kultusministerkonferenz 51 verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer ein Interesse an einer Rückkehr nach Sachsen zum kommenden Schuljahr bekundet. Das lässt darauf hoffen, dass wir wieder mehr ausgebildete Lehrer einstellen können.

Derzeit haben allerdings alle  Bundesländer momentan  große  Probleme,  ausreichend grundständig  ausgebildete  Lehrkräfte  zu  finden.  Zwar sind in Sachsen die Lehramtsstudienplätze zum WS 2017/2018 nochmals auf 2.375 erhöht worden, jedoch beträgt die durchschnittliche Studiendauer inklusive Vorbereitungsdienst mindestens sieben Jahre. Kurzfristig müssen wir deshalb zusätzliche Ressourcen mobilisieren. Im Handlungsprogramm werden dazu verschiedene Maßnahmen beschlossen, um  Lehrkräfte  zu  entlasten  und  so  ihre  Arbeitsbedingungen  zu  verbessern.  Auch  dies  erhöht die  Attraktivität des  Lehrerberufs.

Ein  Weg ist zum Beispiel, zusätzliches Personal an die Schulen zu bringen, welches einen Teil der Aufgaben, die jetzt Lehrkräfte erledigen, übernehmen kann. Das Programm „Schulassistenz“ wird perspektivisch ein Drittel  aller  sächsischen  Schulen  erreichen.  Lehrer  können  sich  dann  wieder mehr auf den Unterricht konzentrieren. Auch   die   Einstellung   von   zusätzlich   20  Schulpsychologen   gehört   zu   den entlastenden Maßnahmen für Lehrerinnen und Lehrer.

Tags: Christian Piwarz , Kultusminister Sachsen , Lehrermangel , Maßnahmenpaket

Kategorien: Kaleidoskop

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