Unterwegs mit Kind

Ein Haus für die Natur

Kathrin Muysers (km) · 04.04.2019

Foto: Kathrin Muysers

Foto: Kathrin Muysers

Die bizarren Felsformationen des Elbsandsteingebirges zählen zu den bekanntesten Landschaften Deutschlands. Aber wie sind sie eigentlich entstanden? Als Sächsische-Schweiz-Liebhaberin möchte ich auch meinen Kindern die Augen für die Besonderheiten dieses schönen Fleckchens Erde öffnen. Aber welcher Papa hat schon Lust, beim Wandern schlaue Bücher mitzuschleppen? Und welches Kind hört der Mama beim Dozieren zu, wenn die Natur ruft?

Zum Glück gibt es das NationalparkZentrum in Bad Schandau, das sich ganz der Aufgabe verschrieben hat, den Lebensraum der Sächsisch-Böhmischen Schweiz erlebbar zu machen. Und so sitze ich an einem Sonntag im Frühling mit meinen beiden Kindern und der Oma in der S-Bahn nach Bad Schandau. Dass man dann erstmal die Fähre nehmen muss, um von der Bahnstrecke auf die Stadtseite überzusetzen, stört die Lütties überhaupt nicht, im Gegenteil.

Gleich zu Beginn unseres Besuchs sind die Kinder begeistert – vom der Kasse vorgelagerten Museumsshop, der mit tausend originellen Dingen lockt. Da gilt es zügig hindurchzusteuern, wenn man nicht gleich um ein Vermögen ärmer oder einen Trotzanfall reicher sein will. Aber denjenigen eine kleine Belohnung zu versprechen, die jetzt gleich nach Schildern mit dem kleinen Siebenschläfer Ausschau halten, welcher in possierlichen Posen kleine Menschen durch die Ausstellung lotst, mag pädagogisch zweifelhaft sein, entpuppt sich aber motivationstechnisch als effektive Idee. Aufatmen meinerseits, als gleich am Einlass betont wird, dass es sich um eine Mitmach-Ausstellung handelt – „Anfassen erlaubt“. (Erzähl’ das bitte mal einer dem Louvre.)

Das lassen sich meine Entdecker nicht zwei Mal sagen.Gucklöcher mit Fernrohren halten Überraschungen parat, die den Blick für das Leben in den originalgetreu gestalteten Kunstfelsen schärfen. Als nächstes verfolgen wir mit einem Brettspiel den Lebenszyklus einer Feldmaus. Bisweilen droht der große Schaumstoffwürfel zum Fußball umfunktioniert zu werden, und ich zucke innerlich schon zusammen, wann wohl die Aufsicht einschreiten wird, aber während unseres gesamten Aufenthalts werden die lebhaften Kinder weder ermahnt noch herabgekanzelt. Aufatmen meinerseits.

Fiona (3) ist vor allem von den vielen Tierpräparaten begeistert, die sich in realistisch gehaltenen Kulissen finden: hier ein Fischotter, da ein Fuchswelpe. Da wird ausdauernd gestreichelt. Auch mich juckt es in den Fingern, und so prägen sich unterschiedliche Fellkleider haptisch ein. Florin (7) kann gerade gut genug lesen, um die knapp gehaltenen Informationstafeln selbst zu entziffern. Kurz darauf hält er mir schon einen kleinen Vortrag über den Aufbau eines Ameisenbaus.

Ständig tönt es „MAMAAA!“, weil wieder eine Entdeckung gemacht und eine Erkenntnis gewonnen wurde. Nur in dem Raum, wo die Geräusche nachtaktiver Tiere zu hören sind, wird es der Kleinen „zu fürchtelig!“ Auf meinem Arm lauscht sie aber doch gebannt.

Unser aller Favorit: die Kernzone. Nein, dabei handelt es sich mitnichten um einen nuklearen Bunker, sondern um die Rekreation des Waldes in seiner ursprünglichsten, naturbelassenen Form. Im grünen Dämmerlicht werden die Kinder merklich ruhiger, bis – mir bleibt schier das Herz stehen – die Fototapete unerwartet zu Leben erwacht und sich scheue Waldbewohner zeigen.

Ich lerne, warum die Gipfel der Sächsischen Schweiz mal auf „…stein“ enden und mal auf „…berg“, und dank diverser Modelle kann ich nun auch erklären, wie es zu den Zerklüftungen kam.

Zwei der drei Stockwerke des Hauses haben wir erkundet, ehe wir Hunger bekommen. Wir stärken uns mit einem mitgemachten Picknick, das wir im zum Haus gehörigen Hof und Garten einnehmen, wo man bei gutem Wetter Sitzgelegenheiten und Spielgeräte vorfindet.

Im Untergeschoss haben wir einen Kinosaal für uns allein. Der halbstündige Film „Ein Querx auf Reisen“ begleitet zwei Naturgeister durch die Sächsische Schweiz – für die Kinder faszinierend, amüsant für die Erwachsenen.

Unversehens haben wir mehrere entspannte, kurzweilige Stunden im Nationalparkzentrum verbracht – aber wo ist sie denn nun, diese Natur?

Da die Kleine als Erste den Luchs in der Ausstellung entdeckt hatte und wir ihre „Luchsaugen“ loben, liegt es nahe, mal wieder dem Luchsgehege am anderen Ende der Stadt einen Besuch abzustatten. Obwohl es ein kleiner Umweg ist, meiden wir den direkten Weg entlang der verkehrsreichen Hauptstraße und folgen stattdessen den in den Weg eingelassenen Luchstatzen, die vom NationalparkZentrum hinunter zur Elbe und von dort bis zum imposanten Jugendstilaufzug aus dem Jahr 1904 führen. Die Kinder fühle sich wie echte Fährtensucher und merken gar nicht, dass wir eine Weile unterwegs sind. (Das Eis auf die Hand hat vielleicht auch geholfen.)

Die Aussicht oben am Luchsgehege ist immer wieder grandios. (Leider hat derzeit die kleine Baude geschlossen, die einen sonst mit Crêpes versorgte. Hoffentlich findet sich bald ein neuer Betreiber!)

Und dann haben wir einfach nur Riesenglück. Wo wir in der Vergangenheit auch schon mal gar keinen oder nur einen schlafenden Luchs zu Gesicht bekamen, sind heute beide Tiere in beiden Gehegen überhaupt nicht kamerascheu, posieren geduldig, recken und strecken sich, pirschen und springen in nächster Nähe. Welch elegante Kreaturen. Was für ein schöner Ausflug!

Die Ausstellung ist für alle Altersgruppen geeignet. Zur Ausstellung gehören auf barrierefrei erreichbaren drei Etagen Interaktiver Wald „Jenseits der Wege beginnt Tierland“, Tierexponate, Pflanzenexponate, Animation zur Entstehungsgeschichte des Elbsandsteingebirges, Waldameisen, Gartenschläfer, ein von mehreren Personen gleichzeitig zu spielendes Element zum Landschaftswandel, Zukunftsraum, Modell zum Baumwachstum, Darstellung verschiedener Waldstadien im Naturwald und im Wirtschaftswald.

Als Bildungseinrichtung können in Kombination mit dem Ausstellungsbesuch auch speziell für (Schul-)Gruppen individuell ausgearbeitete thematische Exkursionen und lehrplanorientierte Halbtagesangebote angeboten werden. Da die Monate Mai und Juni bereits stark ausgebucht sind, empfiehlt sich die Buchung solcher Programme grundsätzlich im April oder Oktober / November.
Ein Lehmbackofen kann für Familienfeiern und Klassenausflüge hinzu gebucht werden.

Überdies ist das NationalparkZentrum optimaler Ausgangspunkt für eine Familienwanderung in der Sächsischen Schweiz, und das nicht nur aufgrund seiner strategisch günstigen Lage, sondern auch, weil man dort kostenlos individuelle Wanderempfehlungen bekommt. Tipp: Die Schließfächer sind groß genug für Wanderrucksäcke, und im Untergeschoss gibt es weitere Abstellmöglichkeiten.

NationalparkZentrum Sächsische Schweiz
Sächsische Landesstiftung Natur und Umwelt

Dresdner Str. 2 B
01814 Bad Schandau
Tel. 035022 502 40
www.lanu.de/de/NationalparkZentrum

April–Oktober täglich 9–18 Uhr geöffnet. Über das restliche Jahr sowie Ferien und Ferientage gibt die Website Auskunft. Eine Familienkarte kostet 8,50 €.

Kategorien: Unterwegs mit Kind

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