Dresden NEWS

„Wir müssen die Attraktivität des ÖPNV verbessern!“

Adina Schütze · 19.05.2021

Kind+Kegel sprach mit Martin Dulig, dem Sächsischen Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, über nachhaltige Mobilität und sichere Wege für unsere Kinder.

Herr Dulig, sie sind sechsfacher Vater und leben auf dem Land. Wie haben Sie Ihre Kinder in die Kita oder die Schule gebracht?

Als meine Kinder noch klein waren, haben meine Frau und ich sie zu Fuß, mit dem Fahrrad oder hin und wieder auch mit dem Auto in die Kita oder zu Beginn in die Grundschule im Nachbarort gebracht. Inzwischen lernen meine drei noch schulpflichtigen Kinder in Dresden in Gymnasien – dorthin fahren sie mit dem Bus oder, wenn das Wetter passt, mit dem Fahrrad.

Sie sind Pädagoge und seit sechs Jahren Verkehrsminister. Was tun Sie für sichere Wege für unsere Kinder? Werden Familien dabei unterstützt, das Auto stehen zu lassen und das persönliche Mobilitätsverhalten zu verändern?

Sichere Wege für unsere Kinder sind das A und O. Der Freistaat fördert seit Jahren landesweite Projekte wie die vor-schulische Verkehrserziehung – aber auch Projekte wie „Fahrradfahren aber sicher“ und die Ausbildung von Schüler-lotsen. Außerdem dränge ich auf einen beschleunigten Aus- und Neubau von Radwegen. Allerdings wünsche ich mir da auch mehr Engagement von unseren Kommunen und Kreisen – denn unsere Fördertöpfe werden bislang nicht ausgeschöpft. Zudem habe ich im Bundesrat mit dafür gesorgt, dass die Straßenverkehrsordnung so verändert wurde, dass vor Schulen und Kitas nun unbürokratisch Tempo-30-Zonen eingerichtet werden können. Eines meiner Hauptziele ist und bleibt jedoch die Stärkung von Bus und Bahn. Wir wollen bis 2024 80 Prozent der Sachsen mit dem ÖPNV erreichen, etwa mit neuen Plus- und Taktbussen. Dafür investieren wir viel Geld und werden eine eigene Mobilitätsgesellschaft in Sachsen gründen. Gerade wenn wir jungen Leuten den ÖPNV nahebringen wollen, müssen wir die Attraktivität der Öffentlichen verbessern. Das heißt: feste Taktzeiten, nachvollziehbare Prei-se, moderne und ökologische Fahrzeuge und Angebote für Kinder und Jugendliche. Ich habe mich viele Jahre stark gemacht für ein Bildungsticket. Nach zähem Ringen haben wir es geschafft: Ab 1. August wird es das Bildungsticket geben. Für 15 Euro schaffen wir ein verbundweites, attraktives An-gebot für unsere 430.000 Schülerinnen und Schüler und für 50.000 Jugendliche in schulischer Ausbildung. Azubis in der Dualen Berufsausbildung haben bereits seit einem Jahr die Möglichkeit unser AzubiTicket zu nutzen. Beide Angebote kosten den Freistaat viel Geld – aber jeder einzelne Cent ist es mir Wert.

Gerade im ländlichen Raum sind die großen Lücken in der Struktur des öffentlichen Nahverkehrs für viele Familien ein Grund, warum sie auf das Auto angewiesen sind. Auch, um die Kinder von A nach B zu fahren. Bedeutet der „bedarfsgerechte Ausbau leistungsfähiger Verkehrswege in Sachsen“ nur, mehr Autos auf die Straße bringen zu können? Wie werden die Anbindungen der öffentlichen Verkehrs-mittel im ländlichen Raum verbessert?

Viel zu lang wurde in Sachsen Verkehrspolitik durch die Windschutzscheibe gemacht. Aber das Auto hat heute eine andere Rolle als noch vor 20 Jahren. Das Mobilitätsverhalten hat sich verändert – Ökologie spielt eine wesentlich größere Rolle. Stadtzentren, Arbeitsorte, Einkaufsmöglichkeiten, aber auch der Arzt oder die Schule sollten langfristig für jeden über Verbundgrenzen hinweg, unter der Woche als auch am Wochenende, ganztägig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreich-bar sein. Der Bus als flexibles, wirtschaftliches und umweltfreundliches Verkehrsmittel spielt hier eine wichtige Rolle, um dieses Ziel zu erreichen. Das 2019 eingeführte PlusBus- und TaktBus-Konzept nutzt dieses Potential optimal aus. Sie verkehren mit fester Linienführung auch in den Tagesrandlagen sowie während der Schulferien. Durch eine Vertaktung der Linien ist auch der Übergang zum Schienenpersonennah- und Fernverkehr sichergestellt. Außerdem geben wir als Freistaat den ÖPNV-Zweckverbänden viel Geld zum Ausbau des flächendeckenden Bus-Grundnetzes. Natürlich müssen wir unser Straßennetz in Ordnung halten. Denn gerade im ländlichen Raum wird es weiterhin noch notwendig sein, trotz des ÖPNV-Ausbaus, den Individualverkehr mit dem eigenen Auto abzusichern. Aber ich habe die Devise: Erhalt vor Ausbau, Ausbau vor Neubau – eingeführt. Die Zeit immer neuer riesiger Straßenbauprojekte ist vorbei.

Paris ist einen großen Schritt beim Thema sicherer Schul-weg gegangen und hat viele Zonen rund um Schulen autofrei gemacht. Ist so ein Szenario in Sächsischen Städten denkbar?

Es ist tatsächlich an der Zeit, über solche Szenarien nach-zudenken. Die Bundesländer haben gute Vorschläge unter-breitet, wie man die Straßenverkehrsordnung so verändern kann, dass unsere Städte sicherer und lebenswerter werden. In Dänemark und den Niederlanden funktioniert dies zum Beispiel schon sehr gut. Es ist beeindruckend zu sehen, wie dort bei der Städteplanung neue Ansätze verfolgt werden. Die Ausgangslage ist dort aber auch völlig anders als bei uns: Die Städte sehen sich als Treiber, reformieren ihre Verkehrssysteme aus eigenem Antrieb heraus. So werden in diesen Ländern Reformen befördert, indem die Städte selbst Tatsachen schaffen.

Was genau verstehen Sie unter nachhaltiger Mobilität in Sachsen und welche Ziele werden verfolgt? Bis wann soll was erreicht werden und was ist erreicht worden?

Nachhaltige Mobilitätspolitik ist, dass alle Menschen sicher und zuverlässig aber auch umweltfreundlich, bezahlbar und mit akzeptablem Zeitaufwand ihre Ziele erreichen können, egal ob sie in der Stadt und auf dem Land leben. Die Weichen dafür haben wir gestellt. Ich habe seit Amtsantritt die Prioritäten neu gesetzt: mehr Busse und Bahnen, mehr Rad-verkehr und Fußverkehr. Wir fördern u.a. alternative Antriebe im ÖPNV, den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur. Alles in allem ist Sachsen bereits auf dem Weg – hin zu einem modernen, umweltfreundlichen und nachhaltigen Mobilitätsland. Denn wir sind dafür verantwortlich, den Kindern und Jugendlichen ein funktionierendes, sauberes und wirtschaftlich starkes Land zu übergeben.

Vielen Dank für das Gespräch!

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